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Testresultate zusammentragen genügt nicht

Dr. Fritz Renggli
Dr. Fritz Renggli

Assessmentberichte basieren auf vielfältigen Abklärungen mit unterschiedlicher Validität, daher gibt es hinsichtlich des prognostischen Werts erhebliche Unterschiede.

Bei der Besetzung anspruchsvoller Kaderpositionen werden Spitzenkandidaten meist einem Assessment unterzogen. Es gilt dabei abzuklären, inwieweit eine Person dem Anforderungsprofil der Position zu entsprechen vermag. Mit dieser Massnahme kann das Risiko von Fehlbesetzungen verringert werden. Das Assessmentverfahren ist die wohl umfassendste prognostische Methode, um Kompetenzen, Fähigkeiten und Motive einer Person systematisch zu erfassen und dem Anforderungsprofil einer Position gegenüberzustellen.

Das Angebot an Methoden und Anbietern von Assessments ist vielseitig. So laufen einfache, oft nur wenige Minuten dauernde Onlineverfahren genauso unter dem Begriff Assessment wie komplexe, einen oder mehrere Tage laufende Verfahren, bei denen die Bewerbenden anspruchsvolle Managementfallstudien, Kontrahentengespräche, Leistungs- und Persönlichkeitstests bearbeiten und sich im Rahmen von Präsentationen und Interviews den kritischen Fragen der Assessierenden stellen müssen.

Online-Kurzverfahren mit automatisierter Berichterstellung

Kurzverfahren sind aus naheliegenden Gründen meist kostengünstig. Sie bergen allerdings das Risiko in sich, dass qualifizierte Bewerbende zu Unrecht als nicht geeignet, beziehungsweise wenig Qualifizierte als geeignet dargestellt werden. Viele dieser Onlineverfahren drucken neben dem Testprofil auch gleich einen ausformulierten Beurteilungsbericht aus. Unternehmen, die sich bei Personalentscheiden auf solche Berichte abstützen, sind sich meist nicht bewusst, wie wenig valide die verwendeten Entscheidungshilfen sind.

Nicht selten machen Anwender solcher Kurzverfahren zuerst einen Selbsttest. Dabei kann es sein, dass die Beschreibungen im Bericht einigermassen zutreffend anmuten. Es muss allerdings beachtet werden, dass ein «Selbsttester» gestellte Fragen ungeschminkt beantwortet, während Bewerbende darauf bedacht sind, ein Idealbild von sich zu vermitteln, was zu beschönigend-manipulierten Testprofilen führt. Weiter spielt dabei ein Effekt, wie er sich etwa beim Lesen eines Horoskops ergibt: Die Beschreibungen sind so allgemeingültig formuliert, dass sich jeder ein Stück weit erkennen kann. So formulierte Berichte sind diagnostisch gesehen nicht nur wertlos, sie bergen überdies die Gefahr folgenschwerer Fehlschlüsse in sich.

Die meisten Assessmentanbieter setzen für Teilbereiche der Abklärung standardisierte Instrumente ein. Nun gibt es Onlineprodukte, welche als umfassende Abklärungsinstrumente propagiert werden. Die Ergebnisse aus den Teilaufgaben werden elektronisch in eine Gesamtbeurteilung überführt. Diese setzt sich zusammen aus Persönlichkeitsprofilen sowie einem Bericht, welcher eine umfassende Beschreibung der Person umfasst. Der kritische Leser erkennt in diesen Berichten zusammengefügte Textbausteine, welche Eigenheiten beschreiben, dabei aber kein kompaktes Bild vermitteln. Die Texte sind meist wohlwollend formuliert, der Inhalt jedoch ist wenig kongruent mit den Testdiagrammen. Der gewiefte Leser gewinnt den Eindruck, der Bericht enthalte zwar weitschweifige Deskriptionen, vermittle aber kein erkennbares Bild der betreffenden Person.

Das Erstellen individueller Assessmentberichte ist Knochenarbeit

Eine fundierte Assessmentabklärung beinhaltet mehr als das Zusammentragen von Testresultaten. Es gilt, die assessierte Person in ihrer Eigenheit zu erfassen, ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Motive zu ergründen, diese mit ihren bisherigen Tätigkeiten in Beziehung zu bringen und allfälliges Entwicklungspotenzial zu orten. Dies kann nur durch intensive Auseinandersetzung mit der Person, durch systematische Beobachtung ihres Verhaltens erfolgen. Es gehört zur Aufgabe der Assessierenden, die vielfältigen Teilergebnisse im Rahmen einer Auslegeordnung zu analysieren. Für das Ableiten von Schlussfolgerungen bedarf es fundiert ausgebildeter, in der Handhabung der eingesetzten Instrumente erfahrener Assessierender, welche die Person im Rahmen des Assessments eingehend beobachtet haben. In vielen Fällen erweisen sich die Teilergebnisse als nicht durchwegs homogen, was die fachkompetente Interpretation besonders anspruchsvoll macht.

Standardisierte Onlineinstrumente sind in einer Assessmentabklärung unverzichtbare Hilfsmittel, etwa zur Erfassung der intellektuellen Flexibilität, der Mehrfachbelastbarkeit oder der Persönlichkeitsstruktur. Diese Teilergebnisse müssen mosaikartig mit Erkenntnissen aus dem Interview, aus Beobachtungen, persönlichen Stellungnahmen sowie der Aufgabenbewältigung im Arbeitsalltag in einen Gesamtzusammenhang gebracht und in einem individuell abgefassten Bericht dargestellt werden. Diese anspruchsvolle Knochenarbeit vermag kein elektronisches System in der notwendigen Qualität zu liefern. Erfahrene, sensitive und schreibgewandte Assessierende sind in der Lage, einen Assessmentbericht zu verfassen, der für den Kunden wie für die beurteilte Person stimmig ist, der Divergenzen in den Teilergebnissen sichtbar macht und dazu Stellung nimmt, der aufzeigt, in welchen Situationen die assessierte Person an Grenzen stossen dürfte und wo sie zusätzlich gefordert werden kann. Genau diese präzise dargestellten Einzelheiten braucht ein Auftraggeber, um abschätzen zu können, in wieweit eine Person dem Anforderungsprofil einer Kaderposition zu entsprechen vermag.

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